800G-optische Transceiver: Simulationsgetriebene Innovationen für Netzwerke der nächsten Generation
Klaus Kuboth
26.08.2025
Technologische Herausforderungen, Materialtrends und Simulationsstrategien
Die Übertragungsrate von optischen Transceivern geht über die Grenze von 800 Gigabit pro Sekunde hinaus. Ingenieure stehen vor neuen Herausforderungen bezüglich Leistung, Integration und Skalierbarkeit. Im Interview mit Dr. Despoina Petousi (Advanced Technology Senior Engineer, Adtran Networks SE) sprechen wir über die zentralen Hürden, die Rolle der Siliziumphotonik und wie Simulationstechnologie Innovationen und Systemoptimierung ermöglicht.
Schalter sind standardisierte Serienprodukte. Das beschriebene Projekt wurde am Schaltwerk des Modells 506U durchgeführt | © JUNG
Despoina, was sind die wichtigsten Herausforderungen beim Überschreiten der 800G-Übertragungsrate in optischen Transceivern?
Wenn wir über 800G in optischen Kommunikationssystemen hinausgehen, wird es immer schwieriger, die Anforderungen an die Transceiver-Leistung zu erfüllen. Die Haupttreiber – KI-Anwendungen, High-Performance-Computing, Cloud-Infrastruktur – treiben die Bandbreitenanforderungen an ihre physikalischen Grenzen. Das bedeutet, dass Geräte extrem hohe Datenraten unterstützen müssen, dabei aber energieeffizient und kompakt bleiben sollen.
Eine der größten Herausforderungen ist, dass wir nicht nur schnelle Modulatoren brauchen – sie müssen zuverlässig auf kleiner Fläche arbeiten, mit geringem Energieverbrauch und oft in komplexen, ko-integrierten Systemen. Bei diesen Geschwindigkeiten muss selbst die kleinste Komponente, zum Beispiel ein Koppler oder Wellenleiter, hochoptimiert sein. Man entwirft nicht mehr nur ein Gerät für Leistung, sondern für Leistung und Systemintegration, thermische Stabilität, Fertigungsrobustheit und Skalierbarkeit der Fertigung.
Das führt zu einem Wandel im Design-Thinking: Statt einzelne Geräte zu optimieren, müssen wir in kompletten Ökosystemen denken – also RF, Photonik, Elektronik und Packaging in einem eng gekoppelten Designprozess.
Was ist ein 800G-optischer Transceiver und warum ist er wichtig?
Optische Transceiver sind Schlüsselkomponenten moderner Datenkommunikationsnetzwerke. Sie wandeln elektrische Signale in optische und umgekehrt, um Daten über Glasfaserkabel zu übertragen. Diese Geräte werden in Rechenzentren, Telekommunikationsnetzen und Hochleistungsrechnern eingesetzt. Die neue Generation von 800G-Transceivern (800 Gigabit pro Sekunde) ist entscheidend, um den steigenden Bandbreitenbedarf durch KI, Cloud Computing und Streaming zu erfüllen. Sie ermöglichen schnellere, energieeffizientere Datenübertragung in kompakter Bauform und sind damit ein Eckpfeiler zukünftiger digitaler Infrastruktur.
In Ihrer Präsentation sprechen Sie über verschiedene Ansätze im Transceiver-Design. Welche Ideen stecken dahinter?
Ja, ich habe in meiner Präsentation mehrere Ansätze vorgestellt. Die Wahrheit ist: Es gibt keine Einheitslösung für Transceiver der nächsten Generation. Siliziumphotonik ist zwar bis 800G eine sehr leistungsfähige Plattform, aber darüber hinaus werden neue Materialien wahrscheinlich notwendig.
Zum Beispiel sehen wir bei der Optimierung von Siliziummodulatoren einen typischen Zielkonflikt: Eine höhere Bandbreite führt oft zu mehr optischem Verlust. Das liegt am Plasma-Dispersionseffekt in Silizium, der durch freie Ladungsträger Verluste verursacht.
Deshalb sind neue Materialien wie Lithiumniobat für ultra-hohe Geschwindigkeiten attraktiv. Sie bieten hohe Bandbreite bei geringem Verlust. Ich glaube, die Zukunft liegt in hybriden Systemen: Neue Materialien wie Lithiumniobat auf Silizium integrieren oder verschiedene Funktionen gemeinsam verpacken. Silizium bleibt essenziell – nicht nur für den photonischen Kern, sondern wegen seiner Kompatibilität mit CMOS-Elektronik (Complementary Metal-Oxide-Semiconductor). Das ermöglicht die monolithische Integration von Treibern und Modulatoren, reduziert die Baugröße und verbessert die Energieeffizienz. Statt eine Technologie auszuwählen, sollten wir überlegen, wie sich verschiedene Technologien ergänzen können.
Modulator Material Technologies: Thin film lithium niobate (TFLN) MZMs show optimized performance | © Adtran
Was sind die wirklichen Vorteile der Siliziumphotonik bei der Entwicklung von Transceivern?
Siliziumphotonik bietet mehrere entscheidende Vorteile, besonders aus Sicht von System und Fertigung. Erstens nutzt sie die bestehende Halbleiterinfrastruktur. Silizium-Labs sind ausgereift, kosteneffizient und liefern reproduzierbar hohe Ausbeuten. Dadurch lassen sich großflächige photonische integrierte Schaltungen auf 300-mm-Siliziumwafern herstellen. Dieser Industriestandard ermöglicht eine hocheffiziente Skalierung bei deutlich reduzierten Stückkosten.
Zweitens ermöglicht Siliziumphotonik eine hohe Integrationsdichte durch den hohen Brechungsindex-Kontrast. Das erlaubt sehr kompakte Geräte und komplexe Leitungsführung auf kleiner Fläche – entscheidend für Co-Packaging und Module der nächsten Generation.
Drittens – und vielleicht am wichtigsten – erlaubt Siliziumphotonik die nahtlose Integration mit CMOS-Elektronik. Man kann Modulatoren, Photodetektoren, Verstärker und Treiber monolithisch auf einem Chip integrieren. Das verbessert die Systemleistung drastisch, reduziert Verluste und Latenz, und vereinfacht das Packaging. Das sind Faktoren, die oft zu Engpässen in Hochgeschwindigkeitssystemen führen.
Tipps, Tricks & Details: „Simulation of Si Photonic Transmitters“
Erfahren Sie, wie Simulationswerkzeuge wie Ansys Lumerical und Ansys HFSS Ihnen helfen können, Ihre Modulator-Designs für Transceiver der nächsten Generation mit 800G zu optimieren. (Vortrag in Englisch)
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Welche Rolle spielte der Einsatz von Simulationstools zum Beispiel bei Entscheidungen bezüglich des Setups von Transceivern?
Simulation ist absolut essenziell in unserer Arbeit. Transceiver sind hochkomplexe Systeme, und jede einzelne Komponente, ob Modulator, Koppler oder Photodetektor, muss für die Anwendung optimiert werden. Wir können uns nicht auf Blackbox-Modelle von Foundries verlassen, wenn wir Leistungsgrenzen ausreizen wollen.
Bei Adtran simulieren wir jede Komponente von Grund auf: Wellenleitergeometrien, Dotierungsprofile, elektro-optische Eigenschaften, RF-Verhalten und thermische Effekte. Zum Beispiel nutzen wir bei der Modulatorentwicklung Ansys Lumerical und HFSS, um optische und RF-Leistung zu simulieren. So bewerten wir Kennzahlen wie Einfügedämpfung, Bandbreite, Effizienz und thermische Empfindlichkeit – alles noch vor der Fertigung.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Einfluss von Toleranzen. Selbst bei den besten Designs gibt es immer Abweichungen zwischen Simulation und Messung durch Fertigungstoleranzen. Gute Simulationsmodelle helfen, diese Abweichungen zu verstehen und robuste Geräte zu entwickeln, die auch bei kleinen Fehlern gut funktionieren. Kurz gesagt: Simulation ermöglicht besseres, schnelleres und zuverlässigeres Design. Sie reduziert Risiken, verkürzt die Markteinführungszeit und verbessert Entscheidungen im gesamten Entwicklungszyklus.
Mit dem CADFEM-Ansys-Ökosystem können wir nicht nur einzelne Komponenten simulieren, sondern komplette 800G-Systeme entwerfen – interdisziplinär, präzise und skalierbar. Simulation ist dabei nicht nur ein Werkzeug, sondern der Schlüssel zur Innovation.
Welche Rolle spielen Ansys und CADFEM beim Design von Transceiver-Systemen?
Das Ökosystem CADFEM-Ansys bietet uns einen enormen Mehrwert, weil es eine einheitliche Umgebung schafft, in der verschiedene Bereiche – Photonik, RF, Elektronik, Thermik und Packaging – gemeinsam entworfen und optimiert werden können. Genau das brauchen wir in einem Feld, in dem interdisziplinäre Integration unverzichtbar ist.
Ein Beispiel: Eine Änderung im RF-Layout kann die Bandbreite des Modulators beeinflussen, das wiederum verändert die thermische Verteilung im Gehäuse. Mit den Ansys Tools können wir all diese Aspekte zusammenführen – photonische Simulation, elektrische Modellierung, thermische Analyse, und das gesamte System an einem Ort bewerten. Das spart Zeit, erhöht die Genauigkeit und verbessert die Zusammenarbeit zwischen Teams.
Zusätzlich ermöglichen Tools wie Lumerical INTERCONNECT den Aufbau vollständiger Transceiver-Modelle inklusive Modulationsformaten wie 16-QAM sowie die Bewertung der Systemleistung vor dem Tape-Out. Das macht den Entwicklungsprozess viel vorhersehbarer und gibt uns Sicherheit, dass wir auf ein funktionales, skalierbares Produkt hinarbeiten.
Zusammengefasst: Das Ökosystem CADFEM-Ansys erlaubt uns nicht nur die Simulation einzelner Geräte, sondern das Design kompletter Systeme. Und in der heutigen Welt komplexer, hochintegrierter photonischer Plattformen ist das genau das, was wir brauchen.
Das vollständige Interview mit Dr. Despoina Petousi:
Über Adtran Networks SE
Adtran ist ein Pionier für offene, disaggregierte Lösungen mit einer gemeinsamen Vision für die Zukunft der Glasfasernetzwerke. Wir bieten ein umfassendes Portfolio zur Bereitstellung skalierbarer, sicherer und zuverlässiger Glasfaserverbindungen für Haushalte, Unternehmen und 5G-Infrastrukturen – kombiniert mit cloudverwaltetem WLAN und SaaS-Anwendungen.
FAQs
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Wofür wird ein 800G-optischer Transceiver verwendet?
800G-optische Transceiver werden benötigt für Hochgeschwindigkeits-Rechenzentren, Telekommunikationsnetze und Cloud-Infrastrukturen mit hoher Datenrate, geringer Latenz und hoher Energieeffizienz.
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Was sind die Hauptherausforderungen bei der Entwicklung von 800G-Transceivern?
Energieeffizienz, thermische Stabilität, Integration von Photonik und Elektronik sowie der Bedarf an neuen Materialien jenseits von Silizium.
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Wie hilft Simulation beim Design von 800G-Transceivern?
Tools wie Ansys Lumerical und Ansys HFSS ermöglichen die Optimierung von optischer, RF- und thermischer Leistung vor der Fertigung – das reduziert Risiken und verbessert den Ertrag.
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Warum ist Siliziumphotonik wichtig für 800G-Transceiver?
Siliziumphotonik ermöglicht kompakte, skalierbare Designs und die nahtlose Integration mit CMOS-Elektronik (Complementary Metal-Oxide-Semiconductor). Deswegen ist Siliziumphotonik ideal für hochdichte Transceivermodule.
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Welche Rolle spielt CADFEM bei der Entwicklung von 800G-Transceivern?
CADFEM unterstützt Ingenieure mit Simulationskompetenz und Tools aus dem Ansys-Ökosystem – für domänenübergreifendes Co-Design und Systemoptimierung.
