Quanten-Computing trifft Digital Engineering: Der nächste Innovationssprung
Gerhard Friederici
24.06.2025
Wie Simulation und klassische Technik die Entwicklung von Quanten-Computern beschleunigen
Quanten-Computer versprechen exponentielle Rechenleistung – doch ihr Potenzial entfalten sie erst durch präzises Engineering. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Digital Engineering mit Simulation, RF-Technologie und Photonik die Hardware-Reife beschleunigt und welche Rolle hybride Systeme in der Produktentwicklung der Zukunft spielen.
Schalter sind standardisierte Serienprodukte. Das beschriebene Projekt wurde am Schaltwerk des Modells 506U durchgeführt | © JUNG
Warum ist Quanten-Computing so leistungsfähig?
In klassischen Computern wird mit zwei Zuständen (1 und 0) gerechnet, den sogenannten Bits. So entstehen aus Kombinationen aus Einsen und Nullen unter anderem Texte, Bilder, Musik, oder es werden komplette Maschinen und Bauwerke entworfen. In Quanten-Computern gibt es keine Bits, sondern es sind Qubits. Diese können nicht nur die Zustände 1 oder 0 einnehmen, sondern gleichzeitig auch beide oder durch Überlagerung beliebig viele Zustände dazwischen (Superposition). Damit ist ein Quanten-Computer in der Lage, sehr viele Rechenwege parallel zu bearbeiten. Je mehr Qubits verwendet werden, desto mehr Rechenleistung wird geliefert.
Dr. Prith Banerjee, CTO bei Ansys: „Wenn ich p Qubits habe, beträgt der Geschwindigkeitszuwachs beim Quantencomputing 2 hoch p, wächst also exponentiell. Wenn das heutige IBM-System Q 433 Qubits oder 1.000 Qubits hat, werden für die nächsten Jahre Systeme mit 2.000 oder 4.000 Qubits angekündigt: Der Geschwindigkeitszuwachs wird also 2 hoch 433, 2 hoch 4.000 betragen, was eine gewaltige Sache ist. Etwas, wofür man heute 10.000 Stunden braucht, wird in Sekunden erledigt sein.“ (Das gesamte Interview mit Dr. Prith Banerjee können Sie hier lesen.
Quanten-Computer in der Produktentwicklung
Technikbegeisterte kommen ins Schwärmen, wenn sie diese prognostizierten Rechenleistungen von Quanten-Computern betrachten. Anwendungsfälle und Einsatzbereiche scheinen zunächst grenzenlos zu sein – von Optimierungsaufgaben über Materialforschung bis zur Kryptographie: In der Pharma- und Chemieindustrie könnten Quanten-Computer die Simulationen von Molekülen revolutionieren, um schneller neue Medikamente zu entwickeln. In der Luft- und Raumfahrtindustrie könnten Quanten-Computer komplexeste strömungsmechanische Berechnungen durchführen. In der Informationstechnologie selbst könnten Quanten-Computer eine neue Ära der Cybersicherheit einleiten (Quantenkryptographie). Außerdem könnte Quanten-Computing maschinelles Lernen erheblich beschleunigen.
Wo steht die Entwicklung des Quanten-Computing aktuell?
Ganz so einfach ist es in der Realität leider noch nicht. Denn bevor Quanten-Computing ein verlässlicher Baustein im Digital Engineering wird, muss die Technologie selbst noch weiterentwickelt werden. Derzeit werden mindestens vier Ansätze zur Realisierung von Quantencomputertechnologien verfolgt:
- Supraleitende Schaltkreise: Sie basieren auf Supraleitern, die bei extrem niedrigen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 °C) betrieben werden müssen.
- Ionenfallen: Dabei werden einzelne Atome in elektromagnetischen Feldern gehalten und mit Lasern gesteuert, um Qubits zu erzeugen und zu manipulieren.
- Photonische Systeme: Verwendung von Photonen zur Übertragung und Verarbeitung von Quanteninformationen.
- Neutrale Atome: Diese Methode nutzt neutral geladene Atome, die mit Licht eingefangen und verschaltet werden, um Quanten-Rechnungen durchzuführen.
Ein zentrales Problem der Quanten-Technologien ist ihre extreme Empfindlichkeit. Bereits minimale Umwelteinflüsse führen zu fehlerhaften Berechnungen, denn der „Wert“ der Qubits ist instabil. Deshalb ist das Temperaturmanagement des „Kronleuchters“ – der Struktur, auf der die Chips mit den Qubits montiert sind – von entscheidender Bedeutung. Besonders bei supraleitenden Qubits, die nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben werden, stellt dies eine der größten technischen Herausforderungen dar. Weitere externe Faktoren sind zum Beispiel elektromagnetische Störungen sowie Vibrationen. Um diese Probleme zu lösen, ist klassisches Engineering notwendig.
3D-Illustration eines Quantencomputers | © Adobe Stock
Die Entwicklung von Quanten-Computern beschleunigen mit Digital Engineering
Wir helfen Unternehmen – in vielen Fällen sehr innovativen Start-ups – derzeit bei der Entwicklung der Hardware, indem wir sie mit unserem Simulations-Know-how bei der Auslegung und dem Bau von Quanten-Computern unterstützen.
Die Architektur eines Quanten-Computers besteht aus sehr speziellen integrierten Schaltungen, auf denen sich die Qubits befinden. Zusätzlich werden hochentwickelte Technologien eingesetzt, um Informationen in und aus diesen Schaltkreisen zu bringen. Dazu werden Hochfrequenz-Mikrowellen (RF-Technologie) und photonische Anwendungen genutzt. Sobald die Informationen die Quantenwelt verlassen, werden sie mit klassischer Elektronik weiterverarbeitet und den bekannten Berechnungs- und Analysewerkzeugen für RF-Komponenten und -Leiterbahnen optimiert.
Technischen Herausforderungen und Automation
Die technischen Herausforderungen bestehen vor allem darin, die Systeme zu skalieren und gleichzeitig die thermische Stabilität sowie mechanische Vibrationen zu kontrollieren und auch elektromagnetische Störungen zu vermeiden. Das ist ein bisschen wie bei Zirkuskünstlern, die Teller auf Stäben drehen – da muss man auch ständig alles im Gleichgewicht halten. Hier helfen Automatisierungslösungen, beispielsweise mit Python, um ständig wiederkehrende Berechnungen zu automatisieren, damit die Entwicklungsteams schneller und agiler arbeiten können.
Let's Simulate: "Wissensbausteine für die Produktion von Quantencomputern"
In diesem „Let’s Simulate“ tauchen die Experten Alex Shalaby und Steven Jones in die Welt von Quanten-Computing und Photonik ein. Erfahren Sie, wie Fortschritte in der Hochfrequenztechnik und Photonik moderne Simulationstechniken beeinflussen und wie Quanteneffekte ins Spiel kommen.

Ansys HFSS
Industry standard for determining the radiation and transmission behavior of high-frequency electromagnetic fields.

Wie Quanten-Computing im Digital Engineering besonders hilfreich sein kann
Dank der parallelen Verarbeitung werden Quanten-Computer mehrere Szenarien gleichzeitig berechnen können und dadurch zum Beispiel Echtzeit-Simulationen erheblich verbessern. Zudem ermöglichen sie eine extrem schnelle Analyse großer Datenmengen. Besonders bei komplexen Optimierungsaufgaben, die herkömmliche Computer nur mit immensem Rechenaufwand bewältigen, wäre das ein massiver Pluspunkt. Die wichtigsten Anwendungsbereiche für Quanten-Computer, die für die nähere Zukunft gesehen werden, sind:
- Simulation von Quanten-Effekten
Quanten-Computer werden hervorragend darin sein, quantenmechanische Systeme zu simulieren – wie Molekulardynamik, Kernphysik usw. - Optimierungsprobleme
Es gibt Quanten-Algorithmen wie „Grover's Algorithmus“, die große ungeordnete Datensätze sehr gut durchsuchen können – das wäre auch für Optimierungsprobleme bei Ingenieurssimulationen sinnvoll einsetzbar. - Maschinelles Lernen und KI
Quanten-Computer könnten für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz genutzt werden – sie sind in der Lage, mit vielen komplexen Parametern zu arbeiten, Fehler zu erkennen und die KI-Anwendung selbst zu verbessern.
In absehbarer Zukunft werden die Quanten-Computer die klassischen Computer nicht ersetzen, sondern mit ihnen gemeinsam als hybride Systeme arbeiten. Auf jeden Fall wird sich die Art und Weise, wie Produkte entwickelt, getestet und optimiert werden, mit dem Einsatz von Quanten-Computern vielfach revolutionieren.
Höchstleistung von Quanten-Netzwerken: Miraex, ein Schweizer Quanten-Technologie-Startup
Schon heute helfen Simulationen, möglichst leistungsfähige Quanten-Computer zu entwickeln. Miraex, ein Schweizer Quanten-Technologie-Start-up, entwickelt Konnektoren, die Mikrowellen (RF – Radio Frequency) und Photonik (optische Informationsübertragung) im elektromagnetischen Spektrum verbinden. Diese Konnektoren sind ein Schlüssel für maximale Performance von Quanten-Computern. Ausgangspunkt ist ein hochpräzises Design und dessen perfektes Zusammenspiel bezüglich der Schaltungs- und Materialverluste mit der Kopplungsstärke. Dabei helfen multiphysikalische Simulationen mit Ansys-Tools.
Wenn die Mikrowellen mit dem optischen Bereich im elektromagnetischen Spektrum verbunden werden, sodass beispielsweise die Kopplung von Quanten-Computern in einem Cluster über optische Fasern erfolgt, erhöht sich die Gesamtperformance drastisch. Die Grundlage sind RF- und optische Schaltkreise im Nanobereich, die Licht in Strukturen leiten, in denen Photonen verschiedener Frequenzen miteinander interagieren.
Simulation: Optische und elektrische Prozesse im Gleichgewicht
So werden einzelne Photonensignale von Mikrowellen in optische Frequenzen umgewandelt oder umgekehrt. Ihr Betrieb erfordert ein hochgenaues Design, denn es geht darum, Schaltkreis- und Materialverluste mit der Kopplungsstärke in Einklang zu bringen. Das domänenübergreifende Ergebnis, das durch die Konzentration auf einzelne Solver in parallelen Strängen erzielt wird, führt zu einer drastischen Reduzierung der Komplexität und der Aufbereitungszeit.
Diese Optimierungen helfen, auf Anhieb das beste Design zu ermitteln, den Marktzugang zu beschleunigen und so durch neueste Quanten-Technologien herausragende Voraussetzungen für Innovationen in Industrie und Forschung zu schaffen.

