KI, HPC und Quantencomputer: Die Zukunft der simulationsgestützten Produktinnovation

Auf der CADEFM-Konferenz 2024 haben wir mit Dr. Prith Banerjee, CTO bei Ansys, gesprochen. Im Interview erzählt er uns von seinen jüngsten Projekten und zeigt uns, was Ingenieure in Zukunft von Ansys erwarten können.

Prith, Sie sind CTO bei Ansys. An welchen Technologien arbeiten Sie derzeit?

Wir haben etwa 50 verschiedene Produkte in zehn Geschäftsbereichen. Was ich als CTO bei Ansys vorantreibe, sind fünf übergreifende Technologiesäulen. Erstens: Advanced Numerics. Im Kern von Ansys überführen wir physikalische Gleichungen in numerische Methoden. Unter anderem geht es um die Weiterentwicklung von Advanced Geometry Meshing-Techniken, Multiphysik, Multiskalen-Methoden, oder Mesh-Fusionstechnologien.

Der zweite Bereich ist High Performance Computing. Unsere Solver brauchen oft noch viele Stunden, deswegen müssen wir dafür sorgen, dass sie viel schneller laufen können. Das erfordert Technologien, die Shared-Memory-Multiprozessoren, Message Passing mit MPI und GPUs nutzen. Außerdem arbeiten wir an Dingen wie Quantencomputing und KI-basierter Hardware.

Das ist auch der dritte Bereich – KI/ML. Wir nutzen KI/ML, um viel schnellere Solver und benutzerfreundlichere Technologien zu entwickeln. Lösungen wie SimAI und AnsysGPT helfen, Berechnungen erheblich zu beschleunigen und die Nutzung unserer Tools zu erleichtern.

Bei der vierten Säule geht es um Cloud und Plattformen. Viele unserer Kunden nutzen unsere Solver in der Cloud wie AWS oder Azure. Wir arbeiten an unserer SaaS-basierten Cloud-Plattform und stellen Python-Schnittstellen zu allen unseren Solvern bereit. So ermöglichen wir unseren Kunden, komplette Anwendungen oder Workflows zu erstellen, bei denen unsere Solver im Backend arbeiten.

Die letzte, fünfte Säule ist das Digital Engineering, also das gesamte Konzept der modellbasierten Systemtechnik. Wir können eine Anforderung auf Systemebene in Sprachen wie CSML formulieren und sie dann für die Zusammenarbeit zwischen mehreren Teams nutzen.

 

Die Frage, die sich die meisten unserer Nutzer stellen, ist, worauf sie sich konzentrieren sollen. Was würden Sie ihnen empfehlen?

Das hängt natürlich vom jeweiligen Kunden ab. Wenn Sie zum Beispiel bereits Simulationstechnologie einsetzen und Rechenzeiten optimieren wollen, dann sollten Sie High Performance Computing nutzen und sie auf Shared Memory, Message Passing oder GPUs laufen lassen. Wenn Sie eine noch höhere Geschwindigkeit erreichen wollen, eine superlineare Geschwindigkeit, können Sie unsere KI-Tools einsetzen. Wenn Sie Zugang zur Cloud haben, können Sie unsere Cloud-Software nutzen und so weiter. Aber die wichtigste Technologie in Bezug auf die digitale Transformation ist eigentlich unser Bereich Digital Engineering. Das ist mir ein besonders großes Anliegen.

Dr. Prith Banerjee, CTO Ansys, Inc. | © CADFEM Germany GmbH
Dr. Prith Banerjee, CTO Ansys, Inc. | © CADFEM Germany GmbH

Warum liegt Ihnen das Thema Digital Engineering besonders am Herzen?

In der Vergangenheit hatten die verschiedenen Anwender unterschiedliche Aufgaben: die Maschinenbauer waren eine Gruppe, die sich nur mit den mechanischen Teilen befasste. Eine andere Gruppe befasste sich mit Fluids, wieder eine andere mit der Elektromagnetik. Und die Teams arbeiteten zusammen, indem sie E-Mails oder Tabellen verschickten. Im Digital Engineering, in der neuen Welt, erstellen Sie ein Systemarchitekturmodell, das die einzige Source of Truth darstellt und die Grundlage für alle Entwürfe ist. Mein Rat an die Kunden lautet daher, sich auf das Digital Engineering zu konzentrieren. Sie werden bald erkennen, um wie viel Sie schneller werden, wie Sie die Anzahl der Entwurfsiterationen reduzieren und die Kosten deutlich senken können.

 

Sie haben kurz das Quantencomputing erwähnt. Was tun Sie in diesem Bereich?

Als ich zu Ansys kam, fragte mich mein CEO, was der technologische Disruptor sei. Ich sagte ihm, dass es KI und maschinelles Lernen seien. Wir haben in den letzten fünf Jahren daran gearbeitet und neue Technologien entwickelt, AnsysGPT und Ansys AI Plus. Diese Technologie ist jetzt auf dem Markt.

Dann fragte mein CEO: „Was kommt danach?“. Das ist das Quantencomputing. Das wird nicht in den nächsten drei Jahren kommen, sondern in den nächsten 10 bis 15 Jahren. Ich bin mir absolut sicher, dass Quantencomputing eine Technologie sein wird, die jeder nutzen wird. Und ich werde Ihnen sagen, warum: Wenn Sie ein Problem haben, dessen Lösung 10.000 Stunden dauert, und Sie geben ihm 100 Prozessoren, werden wir es in 10 Stunden lösen. Sie erhalten eine lineare Beschleunigung: Sie haben p Prozessoren; Sie erhalten die p-fache Beschleunigung.

Wenn ich p Qubits habe, beträgt der Geschwindigkeitszuwachs beim Quantencomputing 2 hoch p, wächst also exponentiell. Wenn das heutige IBM-System Q 433 Qubits oder 1.000 Qubits hat, werden für die nächsten Jahre Systeme mit 2.000 oder 4.000 Qubits angekündigt: Der Geschwindigkeitszuwachs wird also 2 hoch 433, 2 hoch 4.000 betragen, was eine gewaltige Sache ist.

Etwas, wofür man heute 10.000 Stunden braucht, wird in Sekunden erledigt sein. Keine Zeit mehr für einen Kaffee. Allerdings ist noch nicht klar, ob und wie das Quantencomputing die Simulation numerischer Methoden ablösen kann. Aber wir wussten auch nicht sofort, wie KI/ML Probleme lösen würden – das haben wir geändert. Und ich wette, dass Quantencomputing die Simulationstechnologie und das Digital Engineering beschleunigen und verändern werden. Darauf bin ich sehr gespannt.

 

Sehen Sie sich jetzt das vollständige Interview mit Dr. Prith Banerjee auf unserem YouTube-Kanal an!

 

Lesen Sie mehr: Prith Banerjee über die Ansys Grand Vision

Autor

Joël Grognuz

CADFEM (Swiss) AG

+41 21 - 61480-44
joel.grognuz@cadfem.ch

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Redaktion

Klaus Kuboth

CADFEM Germany GmbH

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