Vernetzung – zwischen Geometrie und numerischer Lösung

Geometrie rein, Ergebnis raus!? So hätten wir das gerne. Eine der größten Herausforderungen auf diesem Weg ist die Netzerstellung. Hier stehen Genauigkeit, Qualität und Schnelligkeit im Fokus. Wir zeigen auf, wie Ansys Fluent Meshing einen klaren und flexiblen Workflow anbietet, um hochwertige Berechnungsnetze für komplexe Geometrien zu erstellen.

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Warum brauchen wir ein gutes Netz?

Ziel einer jeden Simulation ist es, die Realität bestmöglich abzubilden. Die Voraussetzungen hierfür sind ein leistungsstarker Solver, die korrekte Wahl der verwendeten Strömungsmodelle und Diskretisierungsverfahren mit minimaler numerischer Diffusion. Doch zu oft wird ein essenzieller Punkt vergessen: Das Berechnungsnetz. Ein gutes Berechnungsnetz ist in der CFD immer die Basis für belastbare Ergebnisse. Ansys bietet eine Reihe unterschiedlicher Vernetzungswerkzeuge: Ansys Meshing, TurboGrid, ICEM CFD und Fluent Meshing. Da wir im Berechnungsalltag zum Großteil mit Fluent Meshing arbeiten und weil es sich speziell für die Vernetzung komplexer Geometrien eignet, werden wir uns im Folgenden mit einigen Funktionalitäten und Einstellungen des Fluent Meshings am Beispiel einer Glasrinne beschäftigen.

Glasrinnen, wie die hier verwendete, sind oft in Wasserbaulaboren zu finden und werden zur Untersuchung des Überlaufverhaltens verwendet. In dem Fall ist insbesondere der sich einstellende Wasserspiegel im Oberwasser von Interesse. Die Wehrstruktur hat eine Höhe von 400 mm, an der Oberkante eine Dicke von 75 mm und weist einen kleinen Radius von 25 mm und einen großen Radius von 200 mm auf. Die Anforderungen an das Netz bestehen daher sowohl in der korrekten Abbildung der geometrischen Merkmale der Glasrinne als auch in der Auflösung großer Gradienten im Strömungsraum. Dies betrifft insbesondere den Gradienten des Phasenanteils (Wasseroberfläche) sowie die Geschwindigkeitsgradienten in Wandnähe und im Unterwasser.

Fluent Meshing bietet zwei vordefinierte, individualisierbare Workflows: Den Watertight Meshing (WTM) und den Fault Tolerant Meshing (FTM) Workflow. Letzterer ist speziell für fehlerhafte, „löchrige“ Geometrien entwickelt worden, bei denen die geometrische Vorbereitung langwierig bis unmöglich ist. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal bzgl. der Geometrie ist die sogenannte Wasserdichtigkeit. Der WTM Workflow kann immer dann verwendet werden, wenn gedanklich Wasser in die Geometrie gegossen werden könnte, ohne dass es an einer Stelle wieder herausläuft. Da unsere Rinne dieses Merkmal erfüllt, verwenden wir hier den WTM Workflow.

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Exemplarischer Workflow für zwei Netze und die Übersicht der Geometrie | © CADFEM GmbH 


Vom Oberflächennetz zum Volumennetz 

Mit der Auswahl des WTM Workflows wird ein Arbeitsablauf definiert, dessen Unterpunkte Schritt für Schritt abzuarbeiten sind. Der grundsätzliche Ablauf besteht aus dem Import der Geometrie, der Erstellung einer Zellgrößenverteilung, der Vernetzung der Oberfläche und der anschließenden Volumenvernetzung. Hinweis: Im gesamten Workflow können Zuweisungen entweder durch direkte Geometrie-Selektion, durch eine Suchfunktion oder durch das sog. Wildcarding erfolgen. Letzteres hat den Vorteil, dass nicht das Ergebnis der Suche, sondern die Suche selbst gespeichert wird; mit *wall* können so beispielsweise immer alle Ränder selektiert werden, die die Bezeichnung wall in ihrem Namen tragen.

Beim Import der Geometrie wird diese im Hintergrund in eine tessellierte Darstellung übersetzt, die pmdb. Mit Add Local Sizing und den Einstellungen unter Generate the Surface Mesh wird das sogenannte Size Field mit Informationen zur lokalen Zellgröße „gefüttert“. Diese Größenverteilung kann man sich wie ein Temperaturfeld vorstellen: Das Zellwachstum entspricht der Wärmeleitfähigkeit, und lokale Verfeinerungen entsprechen den Wärmequellen. Über Einstellungen wie Local Refinement Region oder Face Sizing erfolgt somit eine Zellgrößenanpassung, die mit zunehmendem Abstand abnimmt. Hinweis: Die Größe der sich ergebenen Zellen wird beim Klicken in das jeweilige Eingabefeld als kleiner roter Würfel visualisiert.

Unter Describe Geometry ist festzulegen, ob der Import einen reinen Fluid-Bereich, einen reinen Solid-Bereich oder eine Kombination aus beidem umfasst. Je nach Auswahl fügt Fluent dem Workflow weitere Unterpunkte hinzu. So ist es beispielsweise möglich, auf Basis einer importierten Solid-Geometrie durch das Schließen von Berandungen das Negativvolumen zu erzeugen. In unserem Fall liegt die Strömungsgeometrie bereits vor, und wir möchten keine Solid-Geometrie vernetzen. Daher ist die Beschreibung Only Fluid ausreichend. Update Boundaries und Update Regions dienen der Zuweisung des Typs von Randbedingung bzw. Volumenkörper: Handelt es sich um eine Wand oder einen Einlass? Ist der Volumenkörper Solid oder Fluid?

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Vergleich der Definition einer Verfeinerung basierend auf einer Fläche und einer Local Refinement Region | © CADFEM Germany GmbH 


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Ansys CFD

Strömungen von Fluiden sichtbar machen mit Computational Fluid Dynamics (CFD).
Partikelströme und Materialflüsse analysieren mit Discrete-Element-Methode (DEM) und SPH (Smoothed-Particle Hydrodynamics).

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Volumennetz – Was soll rein?

Zur Auflösung der hohen Gradienten an der Wand wird in Wandnormalrichtung eine zuvor definierte Anzahl an Prismenschichten erzeugt – die Boundary Layer Elemente. Die Steuerung dieser Elemente erfolgt über die vier Freiheitsgrade ‚Höhe der ersten Schicht‘, ‚Anzahl der Schichten‘, ‚Wachstumsrate‘ und ‚Höhe- zu Breite-Verhältnis der letzten Schicht‘. Welche Freiheitsgrade vorzugeben sind, entscheidet sich je nach Definitionstyp – wir empfehlen für die meisten Anwendungsfälle den Typ Last Ratio, da hier sowohl die Dicke der ersten Schicht als auch der Übergang in das Volumennetz gesteuert werden können. 

Die lokale Zellgröße des Volumennetzes wird über das zuvor beschriebene Size Field gesteuert. Als Elementtyp stehen zunächst Tetraeder und Polyeder zur Auswahl. Aufgrund der besseren Zellqualität empfehlen wir immer die Verwendung von Polyedern, sofern alle Modelle mit diesem Typ kompatibel sind. Beide Typen können mit einem kartesischen Hexaeder Netz – dem sogenannten Hexcore Netz – kombiniert werden. Die Tetraeder oder Polyeder dienen dann lediglich als Übergangsschicht von den Domänengrenzen hin zur Hexcore Vernetzung. Hinweis: Der 1:8 Sprung in der Zellgröße unter Verwendung von Hanging Nodes innerhalb des Hexcore Netzes kann über die Einstellung Avoid 1/8 Transition vermieden werden.

Die Bewertung der Netzqualität erfolgt typischerweise über zwei Kriterien. Das erste Kriterium bezieht sich hierbei auf die Form der Zellen und die Lage zu den jeweiligen Nachbarzellen: Die Orthogonal Quality. Unterschreitet diese einen Wert von 0.1, ist mit einer schlechten Konvergenz und einer unzureichenden Ergebnisgüte zu rechnen. Eine Verbesserung des Netzes erhalten Sie entweder durch geometrische Anpassungen oder durch den optionalen Task Improve Volume Mesh. Das zweite Kriterium ist der Diskretisierungsfehler. Dieser misst, wie stark das Ergebnis von dem abweicht, das auf einem unendlich feinen Netz erzielt werden würde (Richardson Extrapolation). Die Erfüllung des ersten Kriteriums ist hierbei Voraussetzung zur Untersuchung des zweiten.

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Unterschiedliche Netzvarianten in der Schnittansicht | © CADFEM Germany GmbH

Optimieren, aber wie?

Strukturierte Netze haben gegenüber unstrukturierten Netzen im Bereich der Netzqualität einige Vorteile, sind aber bei komplexen Geometrien schwieriger zu erstellen. Fluent bietet mit dem sogenannten MultiZone Meshing die Möglichkeit, automatisch ein strukturiertes Netz zu generieren, sofern für die gegebene Geometrie eine passende Topologie gefunden wird. Die Beispielgeometrie der Rinne eignet sich hier insbesondere deshalb, weil sie bei einem Blick von der Seite einen konstanten Querschnitt aufweist. Die im MultiZone Task anzugebenen Source- und Target-Flächen sind hier die beiden Glaswände der Rinne. Die letzten Schritte vor der Erzeugung des Volumennetzes umfassen die Festlegung der Elementgröße in Extrusionsrichtung sowie die Definition der Prismenschichten.

Abgesehen vom Bereich in der Nähe der beiden Glaswände unterscheidet sich das Strömungsbild in den Längsschnitten, die parallel zu den Glaswänden verlaufen, nur geringfügig. Demnach ist die Vereinfachung auf ein 2D Problem legitim, wodurch der Rechenaufwand drastisch reduziert wird. Ab der Version 2024R1 verfügt Fluent Meshing über einen Workflow (beta), um 2D Netze zu erstellen, die anschließend vom Fluent 2D Solver gelesen werden können. Die Reduktion der Fragestellung auf ein 2D Problem ermöglicht die effiziente Analyse vieler verschiedener Varianten in kurzer Zeit.

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Workflow zur Erstellung einer MultiZone und Detail der erzeugten Grenzschicht | © CADFEM Germany GmbH 


Und jetzt?

Das lokale Strömungsfeld sollte typischerweise nicht von dem Ort der Ein- oder Auslass-Randbedingung abhängen. Sind diese doch einmal zu nah an dem Gebiet, das von Interesse ist, muss nicht zwingend die Geometrie angepasst werden. Mit einer Rechtsklickoption auf den Task für die Generierung des Volumennetzes kann eine Extrusion eingefügt werden. Damit können Ränder vergleichbar mit dem MultiZone erweitert und effiziente Untersuchungen bzgl. der Abstände der Randbedingungen von „dem Ort des Geschehens“ durchgeführt werden.

Ein einzelnes Netz ist nicht genug! Erst im Vergleich mit anderen feineren Netzen können der Diskretisierungsfehler abgeschätzt und die Netzunabhängigkeit der Lösung nachgewiesen werden. Verfeinerungen sind dort notwendig, wo hohe Gradienten in der Lösung auftreten. Im vorgestellten Beispiel ist neben dem Überströmungsbereich die Wasseroberfläche ein solches Gebiet. Ein möglicher Ansatz für den Überströmbereich ist die Definition eines Body of Influence, in dessen Gebiet eine maximale Zellgröße definiert werden kann.

Die Position des Wasserspiegels ist typischerweise unbekannt oder variiert durch unterschiedliche zu untersuchende Abflüsse oder gar Wellen. Für Fälle diese Art ist die lösungsbasierte Netzadaption ein effizienter Ansatz. Hier passt der Fluent Solver das Basisnetz in der Art und Weise an, dass das Netz in Gebieten hoher Gradienten automatisch verfeinert und in den restlichen Gebieten entweder wieder vergröbert oder gar nicht geändert wird. So wird im Falle der Wasseroberfläche immer dort ein feines Netz erzeugt, wo sich die Phasengrenze befindet. Das erlaubt einen effizienten Einsatz von zusätzlichen Zellen basierend auf den aktuellen Ergebnissen der Simulation. Probieren Sie es! Besuchen Sie auch unser Seminar zum Thema Vernetzung in Ansys Fluent.

Seminare zum Thema

Autor

Roman Gabl

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Redaktion

Malte Küper

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