Ansys Rocky: Mit Schüttgut-Kalibrierung zu exakten Simulationen

In der Schüttgutsimulation mit der Diskreten Elemente Methode (DEM) ist eine präzise Kalibrierung entscheidend. Da reale Prototypen meist nicht vorhanden sind, ist der Abgleich mit einem Versuch oft nicht möglich. Mit der richtigen Materialkalibrierung können dennoch zuverlässige Vorhersagen getroffen und Anlagen ausgelegt und optimiert werden.

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Schüttgut | © GettyImages / CADFEM Germany GmbH

Warum ist Kalibrierung in der Schüttgutsimulation Pflicht?

Während die Frage nach der Modellkalibrierung in der Struktur- und Strömungssimulation zumeist nur bei fortgeschrittenen Materialmodellen und akademischen Fragestellungen ins Zentrum des Interesses rückt, spielt bei der Schüttgutsimulation mit der Diskreten Elemente Methode (DEM) die Kalibrierung bei jeder quantitativen Analyse eine Rolle. Dabei geht es weniger um die physikalischen Modelle und Ihre Fähigkeit, die Realität abzubilden, als um die korrekte Einstellung der Modellparameter zur Abbildung des jeweiligen Materialverhaltens.

Grund für die Notwendigkeit der Kalibrierung sind zwei Eigenheiten der DEM:

  • Die zu kalibrierenden Kontakteigenschaften sind mikroskopischer Natur, während die beobachteten Schüttgutphänomene makroskopischer Natur sind (z.B. Schüttwinkel und Fließfähigkeit). Deshalb lassen sich Modelle nicht direkt an den beobachteten Größen einstellen. Solche Modelle gibt es, die spezifische Einstellung schränkt jedoch die Anwendbarkeit ein.
  • Das Verhalten basiert auf einer Vielzahl an Eingangsparametern, welche unterschiedlich große Einflüsse haben. So wird der statische Schüttwinkel z.B. vor allem durch Reibung und Rollreibung beeinflusst. Je nach Schüttgut kommen Anziehungskräfte oder die Partikelform hinzu.

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Aus den Materialmodellen und den mikroskopischen Materialparametern ergeben sich die makroskopischen Schüttguteigenschaften, wie der Schüttwinkel. | © CADFEM Germany GmbH

Von Schüttelwinkelversuch bis Ringscherzelle

Da die Simulation großer Anlagen zur Kalibrierung der Schüttguteigenschaften mit hohem Rechenaufwand verbunden ist, hat es sich durchgesetzt, die Kalibrierung mit Laborgeräten durchzuführen. Hierbei wird auf vorhandene Geräte zurückgegriffen, mit denen ansonsten experimentell Schüttguteigenschaften bestimmt werden. Diese Laborgeräte können exakt nachsimuliert werden, was den zusätzlichen Modellierungsaufwand geringhält. Beispiele hierfür sind die Schulze Ringscherzelle oder der statische und dynamische Schüttwinkelversuch.

Standardisierte Versuche sind jedoch nur eine gut studierte Möglichkeit, keine Notwendigkeit. Jeder Test, mit dem sich Schüttguteigenschaften bestimmen lassen, ist geeignet, ein virtuelles Schüttgut zu kalibrieren. Das heißt, auch selbstentwickelte Tests können problemlos weiterverwendet werden. Da die Kalibrierungssimulation häufiger durchgeführt werden muss (bis das gewünschte Materialverhalten erreicht ist), sollten ausreichend kleine Fälle betrachtet werden – dies gilt sowohl räumlich als auch zeitlich. Mit anderen Worten: Die Betrachtung einer Anlage über Stunden eignet sich nicht für eine Kalibrierung, ein Laborgerät mit einer Messung über einige Sekunden hingegen ist optimal für etliche Iterationsschritte der Materialkalibrierung.

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Beispiele für standardisierte Schüttguttests. Links: statischer Schüttwinkel; Mitte: dynamischer Schüttwinkel; rechts: Schulze Ringscherzelle. | © CADFEM Germany GmbH

Wie wähle ich die passende Kalibriermethode aus?

Bei der Auswahl der Kalibriermethode spielen der Lastzustand auf das Schüttgut und die Anforderung an die Ergebnisqualität eine Rolle. Für einfache Vergleichssimulationen der Materialablagerung in einem Silo oder dem freien Fließen von Gestein in Schurren kann die Bestimmung von Schüttdichte und statischem Schüttwinkel anhand von Datenblatt und Bildern bereits ausreichend sein. Für anspruchsvollere Simulationen, wie die genaue Vorhersage einer neu entwickelten Anlage für ein besonderes Kundenmaterial, sollte auf automatisierte, detaillierte Kalibrierungsversuche zurückgegriffen werden. Hier bieten sich beispielsweise der dynamische Schüttwinkelversuch oder die Schulze Ringscherzelle an.

Unabhängig davon, ob Sie sich bei der Kalibrierung für einen individuellen oder einen Standardtest entscheiden, ist es wichtig, dass der Test der zu simulierenden Anwendung physikalisch nahekommt. Hier einige Beispiele:

    • Für Prozesse der Ablagerung, wie der Befüllung von Silos oder Behältern, ist der statische Schüttwinkeltest die naheliegendste Wahl.
    • Für frei fließende Schüttgüter ohne Kompression, wie in Fördereinrichtungen, stehen der dynamische Schüttwinkeltest oder die Ringscherzelle mit niedriger Kompression zur Auswahl.
    • Für unter Kompression fließende Schüttgüter, wie bei einem Siloauslauf, ist die Ringscherzelle mit passend eingestelltem Druck die beste Wahl.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung von Schüttgutkalibrierung mit der DEM ist das folgende Beispiel zum Abzug von Formsand aus einem Trogsilo. Erste Simulationen mit Literaturwerten zeigten, dass das Abzugsverhalten nicht genau genug getroffen wurde. Nach einer Fließfähigkeitsmessung durch Schwedes + Schulze Schüttguttechnik konnte das Material präzise kalibriert werden. Die Kalibrierung erfolgte mithilfe der Ringscherzelle, welche als virtueller Workflow in Rocky abgebildet ist. Anschließend wurde die Wandreibung des Formsandes mit den Silomaterialien kalibriert und das Gesamtverhalten über den statischen Schüttwinkel validiert.

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Kalibrierungsworkflow der Schulze Ringscherzelle in Ansys Rocky. Oben: Eingabefelder für Kalibrierung identisch wie Realversuch; unten: Ergebnisplot der Kalibrierung. | © CADFEM Germany GmbH

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Kalibrierung für reale oder generische Schüttgüter?

Nachdem das Materialverhalten zuverlässig nachgestellt wurde und die Ergebnisqualität überzeugend war, konnte mit der Optimierung des Trogsilos begonnen werden. Ein Vergleich von vor und nach der Kalibrierung findet sich in der Abbildung unten. Hierbei wurden unterschiedliche Varianten von Entlastungssätteln und Querschnittsreduzierungen virtuell konstruiert und getestet, bis ein zum Material passender Auslauf gefunden wurde, der den gleichförmigen Abzug ermöglichte. Mehr Details zur Anwendung des Trogsilos finden sich in unserem CADFEM Insight.

Simulation schafft außerdem eine bisher ungeahnte Freiheit: So muss ein Material nicht zwangsläufig ein reales Schüttgut als Vorbild haben. Mittels generischer Schüttgüter können Anlagen z.B. auf eine Bandbreite von Fließfähigkeiten ausgelegt werden. Gleichzeitig kann z.B. überprüft werden, wie groß der Einfluss unterschiedlicher Dichten bei gleichbleibender Fließfähigkeit auf die Leistungsfähigkeit einer Maschine ist. Simulation und Kalibrierung beschränken sich dabei nicht auf das reine Fließverhalten. Auch Entmischung, Anbackungen oder Strömungsinteraktionen lassen sich per Kalibrierung für reale wie generische Schüttgüter abgleichen und simulieren, um nur einige Beispiele zu nennen.

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Vergleich des unkalibrierten und kalibrierten Schüttguts anhand des zu verbessernden Ausgangszustands des Trogsilos. | © CADFEM Germany GmbH
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Seminar Tipp

Partikelsimulation mit der Diskrete-Elemente-Methode in Rocky

Rocky DEM ist ein ideales Werkzeug für die Analyse vieler Anwendungen der mechanischen Verfahrenstechnik.

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Autor

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