Mechanisch-thermisch gekoppelte Simulation einer Bremsscheibe
Gerhard Friederici
18.03.2025
Schnell und akkurat: Hybride Berechnung der Bremssscheibenerwärmung
Die Simulation von mechanisch-thermisch gekoppelten Phänomenen wie bei einer Bremsscheibe kann sehr lange dauern. Eine Lösung in kürzerer Zeit liefert ein Ansatz mit hybrider Berechnung. Dabei wird rein thermisch simuliert und die Mechanik über analytische Verfahren abgehandelt.

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Rotationsenergie wird in Wärmeenergie umgewandelt
Grundsätzlich ist der Bremsvorgang bei einer mechanisch gebremsten Bremsscheibe schnell erklärt: Durch Reibbeläge, die mit einer gewissen Anpresskraft auf die Scheibe gedrückt werden, wird der Bremsscheibe Rotationsenergie entzogen und entsprechend der Energieerhaltung (größtenteils) in Wärmeenergie umgewandelt. Diese wird dann über die drei Wärmeübertragungsarten an die Umgebung abgegeben.
Gekoppelte Simulationsmodelle sind kein Hexenwerk …
Um bei der Entwicklung solcher Bremssysteme das bestmögliche Setting für die Reibbeläge hinsichtlich Material, Geometrie und Positionierung zu finden, eignen sich Ansys-Simulationsmodelle, die je nach Belastungsfall die resultierenden Temperaturen bestimmen können. Für diese Applikation müssen demnach die physikalischen Teildisziplinen der Strukturmechanik (Rotation, Anpresskraft) und der Thermik (Wärmegeneration durch Reibung, Temperaturfeld) in den Simulationstools berücksichtigt werden. Da sich die beiden Disziplinen gegenseitig beeinflussen – zum Beispiel durch den temperaturabhängigen Reibwert der Bremsbeläge – sollten die Berechnungen mittels eines gekoppelten Simulationsmodells durchgeführt werden.
Heutzutage ist das Aufsetzen eines solchen Modells – beispielsweise mit Ansys Mechanical – kein Hexenwerk mehr. Die notwendigen Einstellungen, Lasten und Randbedingungen lassen sich über die anwenderfreundliche Benutzeroberfläche in kurzer Zeit definieren. So weit, so gut – allerdings kommt einem nach dem Drücken auf den „Solve-Knopf“ die Numerik in die Quere.
… aber die Berechnung kann sehr langwierig sein
Bremsscheiben rotieren mit mehreren Umdrehungen pro Sekunde, was in der Strukturmechanik zu stark veränderten FE-Netzen während des transienten Vorgangs führt. Das erfordert letztendlich sehr kleine Zeitschritte für eine konvergierende Lösung (Größenordnung: Millisekunden). Wenn aber ein realer Bremsvorgang von einigen Sekunden simulativ betrachtet werden soll, ist sehr schnell klar, dass der Modellaufbau nur kurze Zeit erfordert, aber die Modellberechnung sehr langwierig sein kann – also viele Stunden oder sogar wenige Tage dauert.
In diesem Fall empfiehlt sich ein genaues Hinsehen und eine Überprüfung der Frage, was innerhalb der Numerik zwingend berücksichtigt werden muss. Immerhin stellt der strukturmechanische Teil der Rotation einer rotationssymmetrischen Scheibe in sich keine besonders komplexe Aufgabenstellung dar, während das Temperaturfeld durch die punktuelle Wärmeeinbringung deutlich komplizierter ist.
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Mit Programmierung die Strukturmechanik analytisch integrieren
Bei CADFEM wurde daher für diese Aufgabenstellung ein hybrider Ansatz aus Numerik und Analytik gewählt. In einem rein transient-thermischen Simulationsmodell mit Berücksichtigung eines Advektionsterms wurden Zusatzprogrammierungen eingepflegt, um die Bewegungsgleichungen der Strukturmechanik über Analytik zu berücksichtigen und damit die Wärmegeneration hervorzurufen.
Simulation zur Wärmegeneration bei einer Bremsscheibe | © CADFEM
Der Workflow kann dabei parametrisch Anfangsgeschwindigkeiten oder Geschwindigkeit-Zeit-Tabellen, äußere Drehmomente, Anpresskräfte, material- und temperaturabhängige Verlustverteilung an den Reibkontakten sowie geschwindigkeitsabhängige Konvektionskoeffizienten berücksichtigen. Ergebnisgrößen sind die üblichen thermischen Werte (Temperatur, Wärmeströme) zu jeder Zeit an jedem Ort und zusätzlich die Rotationsgeschwindigkeit, die daraus entstehenden Verlustleistungen und der gesamte Umdrehungswinkel – jeweils über der Zeit. Damit liegen alle relevanten Größen vor und das Schöne daran ist: Diese hybride Berechnung erfolgt gegenüber der ausschließlichen numerischen Berechnung etwa 1.000-mal so schnell, also in wenigen Minuten erledigt.
Mit Ingenieurs- und Simulations-Know-how 1.000-mal so schnell
„Lesson learned“ bedeutet hier also: Mit numerischer Simulation lassen sich (fast) alle technischen Prozesse analysieren. Wenn dabei Simulations-Know-how mit Ingenieurs-Know-how kombiniert wird, lässt sich das Simulationsmodell hinsichtlich der erforderlichen Rechenzeiten so extrem verbessern, dass die Einflüsse aller Eingangsparameter schon in frühen Entwicklungsphasen analysiert und berücksichtigt werden können. Das erspart viel Zeit durch reduzierten Rechenaufwand und führt trotzdem dazu, dass schon erste Prototypen den Wunschvorstellungen der Entwickler und damit der Kunden entsprechen.

