Ansys, Engineering, KI: Erke Wang und Matthias Hörmann im Gespräch
Alexander Kunz 13.09.2024
„Wir denken schon immer sehr international“
In der globalen Ansys-Community gibt es nicht viele Namen, die bekannter sind als der von Erke Wang. Die technischen Geschäftsführer von CADFEM Germany, Erke Wang (EW) und Matthias Hörmann (MH) geben Einblicke in die enge Verbundenheit von Ansys und CADFEM, ihre Highlights, die Bedeutung von KI und den Wert von Ökosystemen.
Erke, wann und wie bist Du zu CADFEM gekommen?
EW: Das war 1988. Der VDI und das Ministerium für Maschinenbau in China wollten den Austausch junger Ingenieure fördern, ich wurde ausgewählt. Meine erste Station war gleich CADFEM, Günter Müller holte mich am Flughafen München-Riem ab. Von Peking nach Grafing – das war ein Kulturschock. Immerhin traf ich gleich am ersten Tag im Büro auf Bekanntes: Computer von DEC, ein Tektronix-Terminal und Ansys 4.2. Gerne erinnere ich mich an meinen ersten Kollegen, Peter Tiefenthaler, der mir mit seiner herzlich-bayrischen Art sehr geholfen hat. Ich bin so dankbar, dass mich Ansys mit so vielen fantastischen Menschen auf der ganzen Welt verbunden hat.
Seit wann kennst Du Ansys?
EW: 1984 war ich Simulationsingenieur im Computerzentrum in Peking und Ansys wählte uns als lokalen Partner. Allerdings sprach damals in China kaum jemand Englisch. Also übersetzte ich die kompletten Ansys-Handbücher ins Chinesische. Vielleicht kenne ich deshalb bis heute die meisten APDL-Befehle, also die Ansys-Skriptsprache. Meine Rekordzeit für die Erstellung eines Ansys-APDL-Makros für eine Platte mit Loch unter Zugbelastung beträgt übrigens 29 Sekunden, für Geometrieerstellung, Vernetzung, Lösen und Postprocessing. Man muss aber dazusagen, dass ein Modell mit 1.000 Elementen als großes Modell galt, verwendet wurden Balkenelemente, Federelemente, Massenelemente, 2D-Elemente und 3D-Schalenelemente.
© CADFEM
Erke Wang (EW)
ist in Shanghai geboren und kam 1984 erstmals mit Ansys in Berührung, das ihn seitdem nicht mehr losgelassen hat. 1988 ging Erke mit einem Stipendium nach Deutschland und ist schnell zu einem Gesicht von CADFEM geworden. Seit 2009 ist er technischer Geschäftsführer von CADFEM Germany.
Matthias, wie hast Du Erke bei deinem Start bei CADFEM wahrgenommen?
MH: Die ersten acht Monate verbrachte ich in der CADFEM Geschäftsstelle in Chemnitz. Dort wurde ich in LS-Dyna eingearbeitet und vertiefte mein Promotionsthema Composites. Mit dem Wechsel nach Grafing begann der tägliche Kontakt mit Erke, der mich bis heute mit seinem Wissen und seiner Begeisterung für Ansys und generell Technologie beeindruckt. Der Erfolg unserer Kunden treibt ihn an, damit hat er ganz CADFEM geprägt. Außerdem verblüfft Erke mit klugen Weisheiten zu allen Lebenssituationen.
KI verwertet den riesigen Datenschatz, der im Engineering erzeugt wird, und hebt so die Effizienz von Simulationen auf ein neues Level.
Inzwischen gibt es Ansys seit über 50 Jahren. Was sind für Euch wichtige Meilensteine auf dieser Reise?
EW: Der Begriff „Meilensteine“ wird der Dynamik, die Ansys an den Tag legt, nicht gerecht. Wo soll ich anfangen? Mit der automatischen Vernetzung, der CAD-Integration, Multiphysik, Systemsimulation, HPC oder der Workbench-Oberfläche – die Liste ist endlos - hat Ansys immer Maßstäbe gesetzt. Millionen von Ingenieuren profitieren davon und entwickeln Produkte schneller, präziser und ressourcenschonender. Ansys hat mit seinen wegweisenden Lösungen und Innovationen dazu beigetragen, dass die digitale Transformation im Engineering weiter fortgeschritten ist als in anderen Bereichen. Simulationsbasierte, virtuelle Prototypen bilden die Physik so gut ab, dass sie Realtests gerade während des Entwicklungsprozesses in allen Belangen überlegen sind. Das spart Zeit, Geld und fördert Innovation, denn ob eine neue Idee funktioniert, kann zügig evaluiert werden.
Auf Ansys Minerva entwickelt CADFEM mit seinen Kunden ein durchgängiges Simulationsprozess- und Daten-Management (SPDM). | © CADFEM
MH: Auch die Abdeckung vieler physikalischer Domänen ist bemerkenswert. Sie erleichtert Unternehmen, Simulation strategisch zu nutzen. Genauso wie die Möglichkeit, sie zu automatisieren, zu individualisieren, zu demokratisieren und in die Unternehmensprozesse zu integrieren. Daran führt im Zuge der digitalen Transformation auch kein Weg mehr vorbei. Bei der Umsetzung unterstützen zertifizierte Partner wie CADFEM. Ansys hat schon früh ein Partnernetzwerk aufgebaut. Das war weitsichtig und kundenorientiert, sozusagen auch ein Meilenstein.
Wie geht Eurer Meinung der Weg weiter, was kommt?
MH: Das Thema Nachhaltigkeit ist überragend. Digitales, simulationsgestütztes Engineering bewirkt schon jetzt viel im Hinblick auf Ressourcenschonung oder eine funktionierende Kreislaufwirtschaft – kann und muss aber noch mehr leisten. Konkret: Digital Engineering trägt zur Nachhaltigkeit bei, alleine schon, wenn man die Zahl an Prototypen denkt, die nicht gebaut werden müssen. Ein ungleich größerer Effekt wird ausgelöst, wenn der ökologische Fußabdruck eines Produktes, insbesondere eines Massenproduktes, bereits in der frühesten Entwurfsphase beeinflusst werden kann, etwa durch eine an vielen Einflussfaktoren orientierten Materialwahl.
EW: Eine Chance ist KI. Wir sehen, dass sich durch KI und ML die Simulation einer idealen Welt annähert, mit perfekter Balance aus Zeit, Aufwand und Ergebnissen. KI verwertet den riesigen Datenschatz, der im Engineering erzeugt wird, und hebt so die Effizienz von Simulationen auf ein neues Level. ML, Maschinelles Lernen wird es Unternehmen ermöglichen, die Testgenauigkeit durch intelligente Messungen zu erhöhen und Realtests auf das absolut notwendige Minimum reduzieren.
Unter anderem entwickelt CADFEM für Kunden maßgeschneiderte Simulationslösungen. | © CADFEM
MH: Um Mehrwerte zu liefern, müssen diese vielen Daten eindeutig, transparent und durchgängig sein. Damit sind wir beim SPDM, beim Simulations- und Prozessdaten-Management, dessen Relevanz durch KI nochmal massiv zunimmt. SPDM ist auch die Basis für die Automatisierung und somit Skalierung der Simulation. Anwendungs-Apps werden die Simulation für jeden Ingenieur zur Realität machen. Dank der Standardisierung in der Programmiersprache für Ingenieure, ist Python zu einem Grundlagenwissen für Ingenieure geworden, und Softwareanbieter wie Ansys haben ihre Software-APIs auf Python umgestellt, um es Kunden zu ermöglichen, die Software leicht für die Automatisierung einzusetzen.
CADFEM ist Treiber vieler Ansys Initiativen: Workbench, Digital Twin, KI und ML, aber auch die Integration von Anwendungen und Produkten, z.B. optiSLang, Motion oder Motor-CAD.
Wie reagieren die Kunden, die Industrie, auf Umbrüche wie aktuell KI?
EW: Die Wucht von KI haben wir auf unseren Konferenzen gespürt. Bei unserer Talkrunde Blueprint zum Thema KI im Juni waren über 1.000 Menschen dabei – doppelt so viele wie üblich! Dass gleichzeitig die Nachfrage nach Automatisierung und SPDM wächst, zeigt, dass unsere Kunden beide Themenfelder gesamtheitlich sehen.
MH: Ja, das Interesse an KI ist überwältigend, nicht nur auf Veranstaltungen, sondern generell in der Community. Allerdings beobachten wir auch Ängste, ob die eigene Expertise und Fähigkeiten zukünftig noch gefragt sind. Ich sage: Ja! Vielleicht sogar mehr denn je. Allerdings sind Transparenz, Verständnis und Akzeptanz für neue Initiativen ein Schlüssel für ihren Erfolg. Unbedingt notwendig ist daher eine gemeinsame Potenzial- und Nutzen-Bewertung. Mit ihr lässt sich nicht nur der reale Nutzen identifizieren und Pilotprojekte angehen, sondern sie ist ein klares Zeichen an die Stakeholder und Mitarbeiter im Unternehmen, dass alle mitgenommen werden.
© CADFEM
Dr.-Ing. Matthias Hörmann (MH)
hat sich 2003 nach seiner Promotion an der Universität Stuttgart für CADFEM entschieden – und ist geblieben. Matthias hat verschiedene Unternehmensbereiche durchlaufen und kennt CADFEM, Simulation und Digital Engineering aus vielen Perspektiven. 2023 wurde er in die Geschäftsführung berufen.
Zurück zu Ansys und CADFEM. Was verbindet beide?
MH: Das starke Ansys Partnernetzwerk, das nah bei den Kunden ist, haben wir schon erwähnt. CADFEM gehört als größter Ansys-Partner weltweit von Anfang an dazu. Aber uns verbindet noch viel mehr.
EW: So ist es. CADFEM hat Expertise zum kompletten Ansys Portfolio. Unser Support bekommt regelmäßig Bestnoten, unser Weiterbildungsangebot besteht aus über 110 Themen und unsere Kunden wissen, dass sie sich auf CADFEM verlassen können, wenn es um Ansys oder flankierende Themen geht – SPDM, KI, neue Anwendungsfelder oder besondere Aufgabenstellungen. Auch Ansys weiß das und empfiehlt uns als Channel, Service und Technology Partner.
MH: Wir agieren auch gemeinsam mit Ansys. CADFEM ist Treiber vieler Ansys Initiativen: Workbench, Digital Twin, KI und ML, aber auch die Integration von Anwendungen und Produkten, z.B. optiSLang, Motion oder Motor-CAD, um nur einige zu nennen. Das macht uns stolz. Wir werden Simulation auch in Zukunft im Sinne unserer Kunden mitgestalten.
EW: Die Integration amerikanischer Softwaretechnologie, deutscher Präzision und bayerischer Großzügigkeit und Humor hat eine langanhaltende und stark gegenseitig vertrauensvolle Partnerschaft geschaffen.
Die Integration amerikanischer Softwaretechnologie, deutscher Präzision und bayerischer Großzügigkeit und Humor hat eine langanhaltende und stark gegenseitig vertrauensvolle Partnerschaft geschaffen.
… und alles auch international, oder?
EW: Wir denken schon immer sehr international. Mit der CADFEM Group leben wir diese Überzeugung, die CADFEM Expertise, Services und Technologie werden weltweit genutzt.
MH: Durch unsere Internationalität mit lokalen Präsenzen werden Kunden in ihrer Sprache, Zeitzone und Kultur bedient. Aber auch jedes Group-Mitglied profitiert von den Synergien bei Wissen, Spezialisierung oder Kapazitätensteuerung. Was das Ökosystem CADFEM Group außerdem auszeichnet: Über das Ansys-Geschäft hinaus gehören Partner mit speziellen Kompetenzen im Kontext Simulation dazu, beispielsweise in der Medizin, Mobilität, Stadtplanung, Energie, Big Data oder KI.
Da ist sie wieder, die KI. Vielen Dank für das Gespräch.